Schiri und Schauspieler - Emotionen auf der Fußballbühne • Ronald Schober
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Schiri und Schauspieler – Emotionen auf der Fußballbühne

 

Schiedsrichter Ronald Schober bei einer Oberliga-Partie. Foto: regios24/Priebe/Archiv

Schiedsrichter Ronald Schober bei einer Oberliga-Partie. Foto: regios24/Priebe/Archiv

 

Mein perfektes Wochenende:
Ronald Schober hat neben seinem Beruf ein spannendes Hobby:

Der Theaterschauspieler ist begeisterter Schiedsrichter.

 

 

Applaus zu bekommen, gehört für Ronald Schober zum Berufsalltag. In der Saison kann sich der Braunschweiger Theater-Schauspieler den lautstarken Zuspruch nahezu täglich abholen, wenn der Vorhang gefallen ist. Bei seinem Hobby hingegen, ist Lob rar. Da wird viel lieber kritisiert, geschimpft, gepöbelt. Ronald Schober ist Fußball-Schiedsrichter.

 

Umso ehrgeiziger kämpft der 39-Jährige auch an den Wochenenden um Anerkennung, die er nicht unbedingt braucht, aber schon gerne hätte. „Es freut einen, wenn auch die Verlierer-Mannschaft hinterher sagt, dass man eine gute Leistung gebracht hat“, gibt er zu. Kommt dies zusammen mit trockenem Wetter und einem spannenden Spiel, war es für Schober ein perfektes Fußball-Wochenende.

 

„Wir Schiris sind ein geselliger Haufen“

 

Den Impuls, die Schiedsrichterkarriere einzuschlagen, teilte der vom Rhein zugezogene Braunschweiger mit vielen Kollegen. „Man ist als Fußballer nicht zufrieden mit den Schiedsrichtern, man denkt, man kann es besser. Und man merkt, dass man als Spieler nicht mehr weiterkommt.“ Bei Schober kam noch hinzu, dass er seine Schauspielausbildung begonnen hatte und sich keine Verletzung leisten konnte, um sie nicht zu gefährden. Und da lebt es sich als Referee auf dem Platz natürlich ungefährdeter als als Spieler. So besuchte er als „Spätberufener“ im Alter von 24 Jahren in seiner Heimat Bingen seinen ersten Schiedsrichter-Lehrgang.

 

Als es ihn später durch ein Engagement am Schlosstheater Celle nach Niedersachsen und später der Liebe wegen nach Braunschweig verschlagen hatte, erkannte er, dass auch bei der Schiedsrichterei gute Ausbildung entscheidend ist für den Spaßfaktor und die Karriere.

 

„Als ich angefangen habe, waren da viele alte Männer. Die höherklassigen Schiris haben sich die guten Spiele zugeschanzt und den Rest verramscht“, verdeutlicht er. In Braunschweig habe er das dann ganz anders erlebt, schwärmt Schober, der für den SV Broitzem pfeift und sich freiwillig aus Zeitgründen aus der Oberliga in die Landesliga zurückgezogen hat.

 

Björn Maertens, Lehrwart des Kreises, sei selbst noch jung und bewege vieles für den Nachwuchs. „Bei uns kommst du als junger Schiri schnell an die Linie bei den Männern.“ Dies sei eine wichtige Ergänzung zu den Jugendspielen, die man selbst und alleine leitet. „Das Konzept ist ideal“, urteilt Schober. „Man kann sich bei den Erfahrenen viel abschauen und merkt durch die Teamarbeit, dass ein Schiedsrichter kein Einzelkämpfer ist.“

 

Fährt ein junger Unparteiischer im Trio zu den Spielen, könne er sich von den Kollegen zudem mal ein Lob abholen. Ein Baustein fürs Selbstvertrauen, der bei Soloauftritten nur selten zu haben ist, wo der Referee noch allzu oft von Jugendtrainern und Eltern verbal angegangen und zum Sündenbock gestempelt wird.

 

„Wir Schiris sind ein geselliger Haufen, es herrscht eine wunderbare Gemeinschaft“, wirbt Schober als ehemaliger Lehrwart im Kreis Celle für seine Zunft. Wer gut gefördert werde und sich gut aufgehoben fühle, halte auch länger durch, hofft er.

 

Denn es ist ein großes Problem des Fußballs, dass die Jungschiedsrichter beim ersten heftigen Gegenwind wieder aufhören. Oder aber wenn sie merken, dass sie in ihrer Karriere nicht mehr weiterkommen. Wer es in höhere Klassen schaffen wolle, brauche neben Können auch viel Glück. „Da will ich keine falschen Hoffnungen wecken“, sagt Schober. „Aber Bezirksliga oder Landesliga zu pfeifen, ist auch eine spannende Sache.“

 

All das, was die Schiedsrichterei ausmache, sei dort zu erleben. „Du musst jeden Sonntag ganz viele Entscheidungen treffen, kannst dich nicht drücken, und musst auch dazu stehen“, schildert er die Herausforderungen, die einen Schiedsrichter in seiner Persönlichkeit reifen lassen.

 

Irgendwann, philosophiert der Theatermann, ginge es gar nicht mehr darum, ob eine Entscheidung richtig oder falsch gewesen sei. Sondern ob man sie so verkaufen könne, dass sie akzeptiert werde. „Und das ist das Spannende“, schwärmt er: „Jedes Wochenende diese Akzeptanz zu kriegen. Jeden Sonntag mit 22 anderen Charakteren umzugehen, und immer fängt es bei Null an.“

 

„Schwalben“ enttarnen

 

Und die Kulturschaffenden in seinem Umfeld? Lächeln sie vielleicht herablassend über den Fußball-Schauspieler? Im Gegenteil, verdeutlicht Schober. „Die finden es sehr spannend, sind neugierig. Schiri zu sein ist doch was Besonderes, und wenn man den Schiedsrichter kennt, sieht man sich ein Spiel gleich ganz anders an.“ So ein Perspektivwechsel sei doch etwas für Theaterleute. „Sie finden es immer spannend, sich in andere hineinzuversetzen.“

 

Schober glaubt auch, dass ihm die Schauspielausbildung auf der Fußballbühne hilft. Er kenne bei allem Gebot zur klaren Zeichengebung auf dem Spielfeld den Unterschied zwischen übertriebener Theatralik und Natürlichkeit, wie sie ja auch auf den Bühne gefragt ist.

 

„Vieles ist eine Frage der Körperspannung und Körpersprache“, sagt er. „Es sind Feinheiten, die einen arrogant oder unsicher wirken lassen.“ Und weil er sich damit bestens auskennt, kann er auch „Schwalben“ von Spielern besser enttarnen und schult seine Schiri-Kollegen dementsprechend.

 

„Ein 100000-Euro-Schuss“

 

Für unfehlbar hält sich Schober deswegen nicht. Seine schlimmsten Spiele seien nicht die mit unerfreulichen Szenen gewesen, betont er. Dass er einst das Europameisterschaftsfinale der Theatermannschaften abbrechen musste, weil sich die Kontrahenten – zwei italienische Teams – übel verprügelten, oder dass er eine Partie vorzeitig beendete, weil ihm ein Spieler an den Kragen wollte, hakt er als Kuriositäten ab.

 

„Schlimm finde ich eher, wenn ich nach einem Pfiff weiß, dass der falsch war und vielleicht spielentscheidend“, erzählt er. „Das hängt mir dann eine Woche nach – aber das muss man dann eben auch wieder loswerden können.“ Die Spieler sollten die Fehler der Schiedsrichter gelassener hinnehmen, wünscht er sich. „Ein Stürmer schießt doch auch dreimal daneben, und wenn er dann trifft, ist er der Held.“

 

Dies allerdings ist keine Rolle für einen Referee. Selbst bei seinem schönsten Spiel war Schober nur Nebendarsteller. Er erzählt von einer Pokalpartie um den Einzug in den DFB-Wettbewerb. Und somit um eine Menge Geld. In der Nachspielzeit ging das klassenhöhere Team in Führung, doch der Außenseiter bekam noch einen Strafstoß. Berechtigt, wie der Schiedsrichter betont. Der Spieler vergab. „Das war ein 100 000-Euro-Schuss“, erklärt Schober, warum ihn dieses Spiel so bewegt hat: „Eine Schlussszene wie im Theater mit dramatischem, ja tragischem Ausgang.“

 

Und sogar mit echten, unmittelbaren Emotionen. „Dass Freude und Tragik so eng beieinander liegen, macht den Fußball aus“, beschreibt er. „Und als Schiedsrichter nimmt man daran teil, erlebt es mit – das fasziniert mich.“

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