Auerhaus – nach dem Roman von Bov Bjerg
Inszenierung: Bernd Upadek
mit: Jenny Klippel, Tobias Kilian und Ronald Schober
aus der Kritik der Braunschweiger Zeitung (Wolfsburger Nachrichten) von Eva Hieber:
„Im Taumel der Gefühle
Bernd Upadek inszeniert den jungen Kultroman „Auerhaus“ am Scharoun-Theater Wolfsburg fast ohne Staffage, dafür mit bittersüßer Poesie.
Nur ein gesundes Herz kann wehtun. Und nur wer Liebe und Leid gleichermaßen erträgt, lebt auch wirklich. So fühlt es sich an, das Scharoun-Theater nach anderthalb Stunden „Auerhaus“ zu verlassen; ein bisschen gebeutelt, ein bisschen geschunden, ein bisschen gereinigt.
Mit „Auerhaus“, dem Erfolgsroman von Bov Bjerg, hat sich Regisseur Bernd Upadek für eine Vorlage entschieden, die trotz ihres schwierigen Inhalts bei Jugendlichen wie auch bei Erwachsenen beliebt ist. In seiner Bühnenversion, die Samstagabend in Wolfsburg Premiere feiert, nähert er sich dem tragischen Stoff mit leichtfüßigem Humor und einer bittersüßen Poesie, die durch die zurückgenommene Inszenierung direkt unter die Haut und tief ins Herz zielt. Und damit das nicht zu sehr schmerzt, spielt er mit einer gewissen Distanz zwischen gespielter und realer Welt: Am Ende ist es eben doch nicht die Wirklichkeit, sondern ein Theaterstück.
Liebe, Freundschaft, Zusammenhalt; Eifersucht, Verzweiflung, Einsamkeit; und immer die Rebellion, gegen die Eltern, gegen die Obrigkeit, gegen das Bekannte. Im Mittelpunkt stehen drei, die sich mit dem Erwachsenwerden schwertun. Und mit denen sich wahrscheinlich jeder ein bisschen identifizieren kann. Da ist Frieder, der an allem scheitert, sogar am eigenen Selbstmord. Höppner, der sich mit unausgesprochenem Widerwillen vom Leben treiben lässt. Vera, deren im Schoß der Familie eingefrorenes Herz nach möglichst viel Liebe trachtet. Ronald Schober, Tobias Kilian und Jenny Klippel spielen bei der öffentlichen Hauptprobe aber auch noch drei weitere Charaktere, die zusätzliche Projektionsflächen bieten: Zum Erinnern an die eigene Jugend mit all ihren Herausforderungen oder zum Verinnerlichen für die, denen der Prozess der Emanzipation vom Elternhaus noch bevorsteht.
Und all das, all diese Frustration über sich selbst und die Verhältnisse, verkörpern die Schauspieler so überzeugend, dass es das Publikum durch die schwindelerregenden Höhen wie auch die bodenlosen Tiefen mitreißt, die das Aufwachsen eben ausmachen.
Die drei Freunde, die sich bei diesem schwierigen Prozess aneinander festhalten, können natürlich nur scheitern. Zu groß die Verantwortung, den jeweils anderen als Orientierungspunkt, als Halt im Taumel der Gefühle und der „Chemie im Hirn“, wie die brandstiftende Pauline es formuliert, zu dienen. Ganz nah geht die Inszenierung dabei an das Publikum, indem die Schauspieler den Raum für sich einnehmen – nicht nur die Bühne, auch den Zuschauerraum und weitere Teile des Theaters beanspruchen. Das wäre ja gelacht, wenn sich eine Geschichte über das Sprengen der Ketten des Spießertums auf eine Bühne mit drei soliden Wänden und einer durchsichtigen beschränken ließe.
Trotz diesem Ausreißen aus der gewohnten Theaterform bleibt die Inszenierung pur, weil Upadek bewusst auf Staffage verzichtet hat: Und was an Musik und Effekten zu hören und sehen ist, übernehmen die Schauspieler weitgehend selbst und spielen so einmal mehr mit der Durchbrechung der Theaterillusion. Wahrhaftig ist nur, was sich im Geiste des Zuschauers abspielt: Und der wird, im besten wie im schlimmsten Falle, daran zu kauen haben.“
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