JOHNNY JOHNSON in JOHNNY JOHNSON von Kurt Weill, Schlosstheater Celle 2008 • Ronald Schober
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JOHNNY JOHNSON in JOHNNY JOHNSON von Kurt Weill, Schlosstheater Celle 2008

Frieden ist so einfach!

Weills Antikriegs-Musical „Johnny Johnson“ in Celle


Als Kurt Weill 1933 nach Amerika emigrierte, fasste er schnell am Broadway Fuß. Sein Antikriegs-Musical „Johnny Johnson“ kam 1934 in New York raus – eine Schwejkiade aus dem Ersten Weltkrieg, die Paul Green als satirisches Stationendrama anlegte. Die ins Alberne überzeichnete Aufführung 1995 am Braunschweiger Staatstheater tat dem Werk keinen Gefallen. (…)
Da trifft die bemerkenswerte Inszenierung von Kalle Kubik am Schlosstheater Celle mit Ronald Schober den Typ viel besser: Er ist ein moderner Candide, der zwar erkannt hat, dass wir nicht in der besten aller Welten leben, aber glaubt, dass wir es könnten, wenn alle Menschen ihrem natürlichen Drang nach Frieden und guten Werken folgen würden. Schober findet da einen ganz selbstverständlichen Ton. Ihm nimmt man die Begeisterung für Braut Minie Bell ebenso ab wie seinen Pazifismus.

Freilich glaubt Johnny seinem Präsidenten, wenn der verkündet, dieser Krieg sei ein Krieg gegen den Krieg. Doch als er im Feld einen 16-jährigen Deutschen töten soll, lässt er ihn laufen mit dem Versprechen, für den Waffenstillstand zu werben. Der kurze Weihnachstfrieden von 1914, so pointiert Weill, ist somit einem kleinen Johnny Johnson zu verdanken.

Kubik betont mit dem konzentriert spielenden Ensemble immer wieder solche nachdenklich stillen Szenen, die mit satirischen wie dem Bombengolf der Generäle wechseln. Zu lang geraten am Ende die Diskussionen im Irrenhaus. Bitterer wäre der einfache Schluss: die Gutmütigen und Weisen wie Johnny werden weggesperrt.

Mit der Band unter Ulrich Jokiel werden Weills oft eingänge Songs bestens umgesetzt. So hat „Johnny Johnson“ eine Chance.

Braunschweiger Zeitung vom 19.09.2008 von Andreas Berger

als JOHNNY JOHNSON in JOHNNY JOHNSON

Zeitlos brisant


George W. Bush hätte sich unter die Zuschauer mischen sollen. Vielleicht wäre ihm ein Licht der Erkenntnis aufgegangen. „Ich finde, Krieg ist einfach das Niedrigste und Schmutzigste, worauf ein Mensch sich einlassen kann“, lautet zum Beispiel eine Botschaft, die den Präsidenten zum Nachdenken anregen müsste. Ein schlichter Bürger formuliert den klugen Satz. Er ist Grabsteinmacher, lebt in der amerikanischen Provinz und heißt Johnny Johnson. (…) Frieden betrachtet Johnny als wichtigstes Gut. Der geachtete Steinmetz schenkt seiner Gemeinde eine Freiheitsstatue. Mitten in die Feier platzt die Nachricht vom Eintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg. Die meisten Männer gehen freiwillig an die Front. Johnny ebenfalls, weil er an den Ausspruch des damaligen Präsidenten glaubt: „Dieser Krieg macht Schluss mit dem Krieg.“ Eine Lüge, wie sich bald herausstellt. Johnny kollaboriert mit Pazifisten der Gegenseite und wandert dafür in die Zwangsjacke. Verlacht und verlassen von seiner Verlobten fristet er fortan ein Dasein unter Verrückten. Normalerweise kein Sujet für ein Musical, doch Paul Green fertigte aus dem eher düsteren Plot ein süffisantes Anti-Militarismus-Stück mit exquisiter Musik von Kurt Weill. (…) Der freche, kratzige Sound der viel beschworenen 20er-Jahre weht deutlich spürbar durch dieses Musical. Erstaunlich frisch und unverbraucht klingt die Musik. Sie tönt saftig und kernig, balladesk und chansonesk. (…)

Das enorm geforderte, insgesamt homogene Ensemble agiert mit Herzblut, legt sich mit vollem Elan ins Zeug. Ronald Schober in der Hauptrolle ist ganz der naive, glühende Pazifist, ein Menschenfreund, dem selbst die schlimmste Unbill seiner Umwelt keinen wirklichen Schaden zufügt. Sara Wortmann verkörpert dessen Verlobte Minnie Bell als skrupellose Blondine. (…)

Die hinreißende Celler Aufführung beweist das beachtliche Potential dieses ambitionierten Musicals mit zeitloser Brisanz und satirischem Biss. Wie selten verbindet sich hier auf äußerst raffinierte Weise große Ernsthaftigkeit mit intelligentem Vergnügen.

Musicals, Heft 133, Oktober 2008 von Heinz-Jürgen Rickert

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